Am 27.11.2022 hatte ich die große Ehre den Psychotherapie-Kongress „Reden reicht nicht?!“ mit dem Vortrag „Erinnerungsupdate – ein Paradigmenwechsel in der Psychotherapie“ zu eröffnen. Ich möchte Ihnen hier von dieser bewegenden Erfahrung berichten und einen kleinen Einblick in das Thema geben.
Das Erinnerungsupdate beschreibt den Vorgang mit dem unbewusste emotionale Erinnerungen ein dauerhaftes „Update“ erhalten. Diese Erinnerungen sind nicht die typischen Geschichten zu einem emotionalen Ereignis, die wir mit den Begriff Erinnerung verbinden, sondern sie sind die körperlichen und emotionalen Reaktionen und automatisierten Verhaltensweisen, die zu einem Zeitpunkt x zu einem bestimmten Ereignis oder Mensch oder Gegenstand abgespeichert wurden. Ab dann werden, wenn uns etwas aus der Gegenwart an die Vergangenheit erinnert, dieselben emotionalen und körperlichen Reaktionen wie „damals“ abgerufen.
Lange Zeit ging man davon aus, dass diese unbewussten emotionalen Erinnerungen „für immer“ sind. Seit dem Jahr 2000 weiß man, dass dies so nicht stimmt: Denn Forschungen weisen darauf hin, dass die Erinnerungen ein „wirkliches Update“ erhalten können, es also möglich ist starke Ängste und andere emotionale Themen dauerhaft und nachhaltig zu transformieren. Ein Paradigmenwechsel, der Hoffnung macht.
Ich beschäftige mich seit 2014 damit die Erkenntnisse aus der Erinnerungsforschung in die Anwendung integrativer Traumatherapien zu übersetzen. Diese Therapien kombinieren die Konfrontation von Trauma-Triggern mit einer körperlichen Stimulation wie dem Klopfen auf Akupunkturpunkte, der Behandlung mit einer Vibrationsgabel, Wärme oder einer körperlichen Aktion wie einer Bewegung. Gerade in Momenten der Trauma-Konfrontation gelingt es so ruhige Anker zu setzen, die signalisieren, dass das Vergangene vergangen ist. Meist in Momenten, in denen starke Emotionen rationale Gedanken erschweren, wenn reden tatsächlich manchmal nicht reicht.
Am Insula-Institut erforschen wir Wirkmechanismen dieser integrativen Trauma-Therapien. Die "Reden reicht nicht?!" Tagung hat wieder einmal gezeigt, wie wichtige diese Forschung ist. Denn obwohl es noch kaum Lehrstühle gibt, die integrative Traumatherapien mit öffentlichen Geldern erforschen, steigt die Zahl der Anwender:Innen stetig. Über 1000 dieser Anwender:Innen waren auf der Tagung online und im Saal zugegen. Therapeut:Innen, die seit langem mit eben solchen integrativen Traumatherapien arbeiten, die wir im Insula-Institut erforschen, jedoch oft keine wissenschaftliche Erklärung für das haben, was in ihren Therapie-Sitzungen in Körper und Kopf passiert.
Viele Therapeut:Innen kamen nach dem Vortrag auf mich zu und bedankten sich voll Rührung, da ihnen ein Stück klarer geworden war, warum ihre körperorientierte Therapie hilft und dass das was sie tun sogar wissenschaftlich erklärbar ist. In solchen Momenten macht Forschung glücklich!
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