top of page
Wirkmechanismen somatosensorischer Therapien

​

Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum es Ihnen nach einer Massage eigentlich so gut geht? Oder aber, warum ein erfahrener Akupunkteur in der Lage ist mit Hilfe von einfachen Metallnadeln Rückenschmerzen oder Knieproblemen zu lindern. Warum eine kleine Akupunkturnadel in der Ohrmuschel gar bei Schmerzen im Bauch helfen kann.

​

Lange Zeit wussten wir wenig über Wirkmechanismen somatosensorischer Therapien. Zwar gaben Studien Hinweise auf die Wirksamkeit bei bestimmten Krankheitsbildern, doch spezifische körperliche Wirkmechanismen wie wir sie aus der pharmakologischen Therapie kennen, waren kaum bekannt. Daher galten die Wirkmechanismen somatosensorischer Therapien lange Zeit als unspezifisch.

​

In den letzten Jahrzehnten wurde intensiv zu diesen Wirkmechanismen geforscht, doch ein Großteil der wissenschaftlichen Erkenntnisse dieser Forschung ist noch nicht im Allgemeinwissen angekommen. Ein Ziel des Insula-Instituts ist es, dieses neue Wissen Patienten und Anwendern zugänglich zu machen. Denn je mehr wir die spezifischen Wirkmechanismen therapeutischer Methoden verstehen, desto eher können wir sie zielgerichtet in der Therapie einsetzen.  Ein weiteres Ziel des Insula-Instituts ist es, durch eigene Studien zur Forschung beizutragen. Unser Schwerpunkt liegt dabei unter anderem auf Wirkmechanismen somatosensorischer Therapien.

Wirkmechanismen der Akupunktur 

Die Akupunktur gehört zu den ältesten therapeutischen Methoden der Medizin. So erwähnen Texte der traditionellen chinesischen Medizin die Akupunktur schon um das Jahr 100 vor unserer Zeit. Vermutlich wurden scharfe Steine und angespitzte Knochen sogar schon um 6000 vor unserer Zeit in einer der Akupunktur ähnlichen Weise verwendet (White & Ernst 2004). Die Akupunktur verfügt somit über einen mehr als 2000 Jahre alten Erfahrungsschatz an therapeutischem Wissen. Moderne Forschung, beispielsweise die GERAC-Studie aus dem Jahr 2007 bestätigten zudem die Wirksamkeit für bestimmte Schmerzerkrankungen (Haake et al. 2007). Trotzdem wird die Wirksamkeit der Akupunktur immer wieder angezweifelt. Besonders die traditionellen Erklärungen über die Wirkweise der Akupunktur stoßen in der klassischen Schulmedizin häufig auf Ablehnung. Ein Ziel des Insula-Instituts ist es, die Wirkmechanismen in der Sprache der westlichen Medizin und Wissenschaft zu erklären. Ein erster Schritt hierfür ist es, den Blick dafür zu öffnen, warum die Wirkung der Akupunktur mit den üblichen westlichen Forschungsmethoden gar nicht so leicht zu erforschen ist.

 

Ein wissenschaftliches Feld, in dem die Erforschung der Akupunktur besonders weit vorangeschritten ist, sind die Neurowissenschaften. Neben unzähligen tierexperimentellen Studien werden hier beispielsweise seit mehr als 20 Jahren Studien mit funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) am Menschen durchgeführt, die schon früh gezeigt haben, dass Akupunktur – ganz egal an welchem Akupunkturpunkt gestochen wird – eine beruhigende Wirkung auf diejenigen Gehirnareale hat, die bei chronischen Schmerzen und psychischer Belastung vermehrt aktiviert sind (Hui et al. 2010). Auch im Insula-Institut führen wir in Kooperation mit der Medizinischen Hochschule Hannover eigene fMRT-Studien zur Akupunktur durch. Dabei erforschen wir unter anderem, ob unterschiedliche Akupunkturpunkte eine spezifische Wirkung auf unser autonomes Nervensystem haben.

Wirkmechanismen therapeutischer Berührung 

 

Die therapeutische Berührung zählt zu den ältesten ärztlichen Handlungen. Schon der Gott Asklepius soll laut Überlieferung aus der griechischen Mythologie Menschen durch Berührung geheilt haben. Heutzutage werden Massage, Akupressur, rhythmische Einreibungen und moderne Faszienbehandlungen als adjuvante Therapie bei einer Vielzahl von Erkrankungen eingesetzt. Wir möchten am Insula-Institut den Anwendern dieser Therapiemethoden Forschung zu (neuro-)wissenschaftlichen Wirkmechanismen dieser Therapieformen zur Verfügung stellen.

​

Ein Beispiel für die moderne Forschung zu therapeutischer Berührung ist die Grundlagenforschung zu der Haut als "soziales Organ". So wurden beispielsweise im Jahr 1990 eine Unterart von Mechanorezeptoren mit dazu gehörigen Nervenfasern in der menschlichen Haut identifiziert, die CT-Afferenzen. Diese Mechanorezeptoren haben keinerlei Bedeutung für den Tastsinn im eigentlichen Sinne, sondern senden soziale und emotionale Information an Gehirnareale, die an der Regulation der Körperphysiologie und emotionalen Prozessen beteiligt sind. Die Mechanorezeptoren reagieren tatsächlich am besten auf die Art der Berührung, die unsere soziale Interaktionen  und auch die therapeutische Berührung auszeichnet: eine streichelnde, sanfte Stimulation bei neutraler Körpertemperatur. Studien zeigen, dass eine solche Stimulation dieser Mechanorezeptoren die Oxytocinproduktion anregt und die Herzratenvariabilität reguliert (Triscoli et al. 2017).

​

Therapeutisches Floating

 

Floating ist ein therapeutisches Verfahren, bei dem Menschen in einem Floating-Tank in konzentriertem Salzwasser an der Wasseroberfläche schweben. Dabei werden sie stark von den Sinnesreizen aus der Außenwelt abgeschirmt. Ein Floating-Tank ist abgedunkelt, akustische Signale werden auf ein Minimum reduziert und das Wasser wird konstant auf Hauttemperatur gehalten (35-36°). Dadurch sinken die Personen oft in einen Zustand tiefer Entspannung. Floating wird daher zunehmend in der Therapie Stress-assoziierter Erkrankungen eingesetzt, zum Beispiel beim Burnout Syndrom, Schlafstörungen und Schmerz-Syndromen. Eine aktuelle Studie des Insula-Instituts zu der Floating Therapie bei chronischen Schmerzen können Sie hier finden.  

​

Literatur:

​

M. Haake, H.H. Müller, C. Schade-Brittinger, H.D. Basler, H. Schäfer, C. Maier, H.G. Endres, H.J. Trampisch, A. Molsberger. "German Acupuncture Trials (GERAC) for chronic low back pain: randomized, multicenter, blinded, parallel-group trial with 3 groups" in Arch Intern Med. Vol.167, no.17,pp. 1892-8, 2007. hier

​

K.K. Hui, O. Marina, J. Liu, B.R. Rosen, K.K. Kwong "Acupuncture, the limbic system, and the anticorrelated networks of the brain" in Auton Neurosci. vol. 157, no.1-2, pp.  81-90, 2010. hier

​

A. White and E. Ernst "A brief history of acupuncture" in Rheumatology, vol. 43, no. 5, pp. 662-3, 2004. hier

​

C. Triscoli, I. Croy, S. Steudte-Schmiedgen, H. Olausson, U. Sailer "Heart rate variability is enhanced by long-lasting pleasant touch at CT-optimized velocity" in Biol Psychol. Vol. 128, pp. 71-81, 2017  hier

​

bottom of page