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Den Schmerz „In die Hände legen“

  • fjacobs6
  • 3. Juli
  • 3 Min. Lesezeit

Etwas nicht physisch Greifbares – wie Schmerz oder eine Erinnerung – in die Hände zu legen, klingt zunächst ungewöhnlich. Doch genau diese Embodiment-Technik steht im Zentrum einer aktuellen wissenschaftlichen Forschung am Insula-Institut. Die Technik „In die Hände legen“ erlaubt es, emotionale Inhalte körperlich zu erfahren – und könnte einen neuen Zugang zur Verarbeitung von Emotionen und Schmerz ermöglichen.


Aus dem Kopf in den Körper durch „In die Hände legen“

Beim „In die Hände legen“ erinnern sich Patient:innen zum Beispiel an eine Situation in ihrer Vergangenheit und legen diese gedanklich in eine ihrer Hände. Die erlebte Situation wird damit sozusagen „aus dem Kopf“ in den Körper geholt. Daraus entsteht die Möglichkeit, eine Erinnerung oder auch Schmerz auf der körperlichen Ebene zu erreichen, zu behandeln und idealerweise auch zu verarbeiten.


Sinosomatics lässt Empfindungen nicht einfach „in der Hand"


Die Embodiment-Technik „In die Hände legen“ stammt ursprünglich aus der Hypnotherapie. In der integrativen Therapiemethode Sinosomatics, die neurowissenschaftliche Erkenntnisse mit ostasiatischer Heilkunde verbindet, findet die Embodiment-Technik „In die Hände legen“ ebenfalls Anwendung. Besonders an Sinosomatics ist, dass die Technik hier um das Element der körperlichen Stimulation erweitert wurde. Das bedeutet, dass die Hand, in die zum Beispiel eine Erinnerung gelegt wurde, von der:dem Therapeut:in physisch stimuliert wird, im Experiment mit einem sogenannten Derma-Roller auf der Haut.“


Forscher:innen untersuchen Wirkmechanismen des „In die Hände legens“

Prof. Dr. Florian Beißner und sein Team vom Insula-Institut wollen verstehen, wie sich das „In die Hände legen“ neurophysiologisch und psychologisch auswirkt. Dazu haben sie ein umfangreiches interdisziplinäres Studiendesign entwickelt, das aus drei Einzelstudien besteht.


  1. Ein Verhaltensexperiment

  2. Eine fMRT-Studie (funktionelles MRT)

  3. Eine klinische Studie an 90 Schmerzpatient:innen in Kooperation mit der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH)


Das Verhaltensexperiment ist bereits abgeschlossen. Hier wurden gesunde Proband:innen nach einer Sinosomatics-Behandlung gebeten, ihre Empfindungen, die sie während der Sitzung gespürt haben, im Anschluss an die Behandlung aufzuzeichnen.

Bei der fMRT-Studie wurden die Proband:innen im MRT angeleitet, Erinnerungen in ihre Hände zu legen. Dabei wurde gemessen, welche Hirnregionen vor und nach dem „In die Hände legen“ mit anschließender Stimulation aktiv waren. Als Kontrolle entfiel das Stimulieren nach dem „In die Hände legen“. Darüber hinaus haben die Proband:innen im MRT qualitative SAM-Fragebögen (Self-Assessment Manikin) ausgefüllt. Mit diesen Fragebögen wurden Daten über die Qualität der Emotion, das gefühlte Maß an Kontrolle und die körperliche Erregung (ruhig oder erregt) in einer Situation erhoben, an die die Proband:innen sich erinnerten.


„In die Hände legen“ scheint Gehirnstrukturen zu verändern

Die Messungen im fMRT konnte das Forscherteam bereits abschließen, und die Datenauswertung läuft. Die Auswertung der SAM-Fragebögen und der Daten aus dem Verhaltensexperiment ist bereits erfolgt und zeigt faszinierende Zwischenergebnisse: Es sieht so aus, als besitze die relativ einfache Embodiment-Technik des „In die Hände legen“, wie sie bei Sinosomatics angewendet wird, das Potenzial, emotionale Erinnerungen gezielt zu verändern. Und das bereits nach einmaliger Anwendung.

„Das 'In die Hände legen‘ scheint tatsächlich Veränderungen zu bewirken bei der Art, wie unser Gehirn Emotionen verarbeitet. Das ist ein Phänomen, das so noch nicht beschrieben worden ist. Dahinter könnte ein fundamental neues Prinzip stecken“ Prof. Dr. Florian Beißner

Die vollständige Auswertung der Daten und die klinische Studie mit Schmerzpatient:innen werden klären, wie stabil und therapeutisch nutzbar diese Effekte sind. Sollte sich weiter bestätigen, was die Zwischenergebnisse bereits andeuten, dann könnten die Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung von Prof. Dr. Beißner und seinem Team für chronische Schmerzpatient:innen Hoffnung auf ein Leben ohne Schmerz machen.


Prof. Beißner präsentiert Ergebnisse bei „Reden reicht nicht“

Auf der Konferenz „Reden reicht nicht“ hat Prof. Dr. Florian Beißner die beeindruckenden Ergebnisse der laufenden Forschung vorgestellt. Das Publikum war „geflasht“. Der Vortrag bietet spannende Einblicke in die Forschung. Sie erfahren zum Beispiel, was es damit auf sich hat, dass Körpergrenzen sich verschieben können und sich Arme und Hände bei negativen Erinnerungen verkürzen.


Das Insula-Institut ist ein unabhängiges Forschungsinstitut, das auf Spenden und Fördergelder angewiesen ist. Die in diesem Artikel beschriebene Studie "Embodiment-Techniken zur Erweiterung des Krankheitsverständnisses bei chronischen Schmerzpatient:innen: Eine interdisziplinäre Untersuchung der Methode ‚'In die Hände legen‘“, wird von der HEAD-Genuit Stiftung und der Schweizer-Arau Foundation finanziert und wäre ohne die freundliche Unterstützung der Stiftungen nicht realisierbar.


Den Vortrag können Sie auf dem Youtube-Kanal des Carl-Auer Verlags ansehen. Hier geht´s direkt zum Video.

 
 
 

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